Polizei probt an Leipziger Nikolaischule für den Ernstfall: „Steht die Sicherung? Die Sicherung steht!“

Am Donnerstag probte die Leipziger Bereitschaftspolizei an der Neuen Nikolaischule im Südosten der Stadt den Ernstfall: Was tun bei einem Amoklauf? Ein Übungsteil musste dabei geheim bleiben.

Leipzig. „Polizei!“, ruft der Polizist. „Polizei!“, seine Kollegin. Die Einheit stürmt den Hof der Neuen Nikolaischule in der Leipziger Schönbachstraße. Ein Mann in grauer Regenjacke schaut verängstigt. Dann lächelt er, zückt sein Handy, beginnt zu filmen. „Übung“ steht auf einem aufgestellten Schild.

Einer der Polizisten ruft seine Leute zusammen. „Wir kommen mal alle hierher!“ Kommandoton. Anders als die anderen trägt er eine leuchtende Weste. Kenny Feibig, 41, ist stellvertretender Chef der Hundertschaft, die am Donnerstagmorgen den Ernstfall probt: einen möglichen Amoklauf an einer Schule. Einen Terroranschlag. Die Polizei nennt das Lebensbedrohliche Einsatzlage, kurz LebEL.

Das Szenario: Vom Sekretariat des Gymnasiums im Leipziger Südosten, das gerade in den Ferien ist, geht ein Notruf bei der Polizeidirektion Leipzig ein. Die Informationslage ist dünn. Aber sofort hin. Es werden die Einsatzkräfte der 21. Hundertschaft der 2. Bereitschaftspolizeiabteilung gerufen. Sie sollen losfahren, eventuell verletzten Personen helfen, vielleicht sogar den Täter ausfindig und durch koordiniertes Vorgehen handlungsunfähig machen.

„Wir sind dafür da, die Lage statisch zu halten“

Polizeihauptkommissar Feibig ist an diesem Morgen noch nicht ganz zufrieden. „Naja“, sagt er. „Wir haben die Schule ein wenig überhastet angefahren.“ Mit Blaulicht auf den Schulhof. Das geht noch besser, unauffälliger, taktisch präziser. Feibig lächelt. „Wenn alles ganz super laufen würde, wäre es nicht die richtige Übung.“

Dann sprinten wieder acht Polizisten los. Kurz vor dem Schulhof kauern sie hinter einer Hecke. Einer zieht seine Waffe, zielt auf den Eingang. Seine Kollegin guckt in genau die andere Richtung. „Steht die Sicherung?“, fragt der Kollege. „Die Sicherung steht“, antwortet sie ihm. Dann rennen sie weiter zur nächsten Ecke. Man arbeitet sich Schritt für Schritt Richtung Schulgebäude vor.

Die Hauptaufgabe der Bereitschaftspolizei sei aber nicht, den Täter auszuschalten, sagt Hundertschaftsführer Feibig. Jedenfalls nicht unbedingt. „Wir sind dafür da, die Lage statisch zu halten.“ Also möglicherweise einen Amoklauf einzufrieren, die Situation zu stabilisieren. Dafür zu sorgen, dass ein Terrorist nicht draußen auf der Straße weiter mordet. Ins Schulgebäude hinein sollten normalerweise schwerer bewaffnete und geschützte Spezialeinheiten wie das Spezialeinsatzkommando, sobald sie da sind.

Zwei Kollegen mimen im Schulgebäude die Täter

Was im Schulgebäude selbst passiert, soll aber geheim bleiben. Schließlich, erklärt eine Polizeisprecherin, könne eine Polizeitaktik nur dann funktionieren, wenn der Täter nicht weiß, was ihn erwartet. „Alles, was dem Täter hilft, können wir nicht öffentlich machen“, sagt sie. Nur eines ist noch zu erfahren: In der Schule werden die übenden Polizisten dann tatsächlich mit einem Täter konfrontiert. Ein sogenannter „Störer“, den ein Schauspieler mimt. Meistens ist es ein verkleideter Kollege. Oder ein Azubi von der Polizeischule. Bei der Übung am Donnerstag treiben sich gleich zwei Pseudotäter im Schulgebäude herum.

In den vergangenen Jahren war die Bereitschaftspolizei zweimal für solche Lagen im Einsatz: Beim Terroranschlag auf die Synagoge in Halle und bei einer Schießerei auf der Leipziger Eisenbahnstraße.

Gegen Mittag erholen sich die Einheiten an einer Sammelstelle am Völkerschlachtdenkmal. An zwei anderen Orten in der Stadt geht ihre Übung weiter: Es wartet noch eine Station zur Ersten Hilfe sowie der Theorieteil zum Thema Amoklauf und Terror. Zeitweise kam es am Donnerstag zu Verkehrsbeeinträchtigungen im Bereich Wilhelm-Külz-Park, Prager Straße, Schönbachstraße, Marienbrunnenstraße, Breslauer Straße und Naunhofer Straße. An der Übung beteiligten sich rund 80 Einsatzkräfte der sächsischen Bereitschaftspolizei.